Der Spatz am Fenster

Ich sitze hier auf meinem Sofa sehr gemütlich rum
Und plötzlich kommt vom Fenster ein richtig lautes "Bumm"
Erschrocken schau ich in die Richtung aus der das "Bumm" herkommt
Und seh, dass eine Hummel vor meinem Fenster brummt

Erleichtert konzentrier ich mich auf den Film, den ich grad schau
Knapp fünf Minuten später gibt's am Fenster erneut Radau
Die Hummel scheint zurückgekehrt, denke ich mir insgeheim
Doch das Fenster ist geschlossen und sie kommt hier nicht herein

Ich schau doch nochmal rüber, denn die Neugier packt mein Blut
Am Fenster ist ein kleiner Piepmatz, dem geht's wohl nicht so gut
Er schaut etwas bedröppelt drein und spreizt die Flügel ab
Und langsam rutscht er nun an der Scheibe herab

Dem Spatz an meinem Fenster, dem geht's wohl nicht so gut
Aus seinem kleinen Schnäbelchen läuft auch etwas Blut
Es sieht schon etwas komisch aus, wie er die Flügel spreizt
Ich glaub, der kleine Spatz hat mit Tempo nicht gegeizt

Während er langsam herunterrutscht kommt in mir die Frage an
Was hat ihn dazu bewegt, dass er nun klebt am Fenster dran
War er seines Lebens müde? Oder war es ein Versehen?
Oder hat er einfach nur die Scheibe nicht gesehen?

War seine Frau zu böse? Oder ist sie fremdgegangen
Warum hat er sich dann nicht an einem Baume aufgehangen?
Warum musste es denn ausgerechnet mein Wohnzimmerfenster sein?
Denn bei geschlossnem Fenster kommt er zu mir ja nicht herein

Der Spatz an meinem Fenster hat sein Leben abgegeben
Und wird wohl noch ne Weile an meiner Scheibe kleben
Er rutscht langsam so nach und nach ein Stück weiter nach unten
In dem Tempo, das er draufhat, dauert das sicherlich zwei Stunden

Ich hole meine Kamera und knips den kleinen Spatz
Stell die Fotos dann bei Facebook rein mit einem kurzen Satz
Mal schauen wie viele Likes das gibt oder Hasstiraden
Wenn die Fotos mal gelöscht werden sollten werden sie nochmal hochgeladen

Zum Glück ist keine Taube vom Dach gegen geflogen
Dann wäre die Scheibe sicherlich gesplittert und verbogen
Hätt ich ne Katze in meiner Fensterbank drin sitzen
Würd sie jetzt wohl versuchen den kleinen Vogel zu verputzen

Der Spatz an meinem Fenster hat sein Leben abgeschlossen
Zum Glück wurd er nicht einfach brutal niedergeschossen
In Italien wäre er wahrscheinlich als Delikatesse freigegeben
Gerupft, gegrillt und dann verspeist, so ist das Leben eben

Die Moral von der Geschichte, die muss ich hier erzählen
Sonst würde mich mein Gewissen bis zum Lebensende quälen
Der Spatz an meinem Fenster hatte zumindest einen Nutzen
Durch ihn fiel mir wieder ein: "Ich muss die Fenster mal wieder putzen."

Text und Musik: Lars Wickboldt


Geschichte:

Dieses Lied ist im Rahmen eines kleinen Projekts entstanden, dass sich "Haustier" nennt. Dazu gehören Miriam (von Delicate Plant) und Jörg, die ich beide von verschiedenen Offenen Bühnen kenne. Miriam hat ein Lied über eine Katze auf einer Fensterbank geschrieben und Jörg ein Lied über eine Taube auf dem Dach. Nach einer Offenen Bühne wo Miriam ihr Katzenlied präsentiert hat, kam sie auf die Idee, dass man das mit der Taube auf dem Dach ja auch irgendwie mit aufführen könnte. Allerdings würde noch ein drittes Lied fehlen, dass ein wenig mehr ins Makabre geht. Daraufhin hat sie mich angeschaut und gesagt, dass das ja mein Ressort sei.
Daraufhin habe ich dieses Lied geschrieben. Die Idee basiert auch leicht auf den Schwalbengeschwadern, die jeden Sommer bei mir vor dem Wohnzimmerfenster herumfliegen. Glücklicherweise ist bisher noch kein Vogel an meinen Fenstern gestorben.


Veröffentlichung:

Erschienen auf der CD 42 Lieder

Live-Video bei YouTube